Mein erster Triathlon

Ironman Zell am See 70.3 am 28. August 2022

Blick auf den Zeller See

Als langjähriges Mitglied eines Triathlon-Vereins (dem ich seinerzeit als Läuferin beigetreten bin) musste es ja so kommen. Bereits im Jahr 2019, kurz nach der Geburt meiner Tochter, meldete ich mich also an. Für meinen allerersten Triathlon, den Ironman 70.3 Zell am See im August 2020. Wenn schon, denn schon. Der Plan sah vor, dass ich am Ende meiner Elternzeit top trainiert mit Kind und Kegel nach Österreich reisen würde und dort vor traumhafter Kulisse meinen ersten Triathlon absolvieren würde. Doch dann kam Corona. Das Event fiel aus und das Event im Folgejahr 2021 fand zwar statt. Aber. Ich konnte mich nicht zum konsequenten Trainieren motivieren. Zu ungewiss war, ob der Ironman 70.3 tatsächlich stattfinden würde.

Family-Teamwork beim Hiddenseelauf im April

2022 also. Wenn nicht jetzt, wann dann? Mir war Anfang des Jahres klar, dass es dieses Mal sein muss oder ich das Vorhaben an den Nagel hängen kann. Entsprechend motiviert war ich zum Jahreswechsel. Doch dann kam erneut Corona. Dieses Mal auch zu uns nach Hause. Zum Glück aber ohne weitere Folgen, so dass ich im Februar sanft mit dem Training starten konnte. Das gelang auch ganz gut. Nach einem kleinen Tief im Mai und Juni habe ich ab den Sommerferien sogar richtig Spaß entwickelt, besonders beim Radfahren. Nicht viel Zeit bis Ende August, aber doch so, dass ich wusste, ich kann es zumindest würdevoll schaffen.

Im Rahmen der konkreten Vorbereitung auf den Ironman 70.3 beschäftigte ich mich dann irgendwann auch mit den Bedingungen vor Ort, den Strecken und las Berichte. Dabei bekam ich es mächtig mit der Angst zu tun. Auf der 90 km langen Radstrecke galt es, nach 20 km einen 15 km langen Anstieg zu überwinden, mit bis zu 14 % Steigung. Und wo es hoch geht, geht es ja auch wieder runter. Mit entsprechendem Gefälle. Ich las von geschobenen Rädern, von Blutlachen und Rettungshubschraubern. Und vom Wetter. Das ist in Zell am See am Ironman-Tag nämlich in 9 von 10 Fällen schlecht gewesen. Und auch für den 28. August sagte die Wetterapp Gewitter und heftige Schauer voraus.

DAS Ziel!

Ohne Kind und Kegel reiste ich am Donnerstag vor dem Ereignis an und tat in den folgenden Tagen das, was zu tun war: Die Spuren des Ironmans 70.3 suchen, registrieren, Kleiderbeutel packen, Schwimmtraining im Zeller See mit Neoprobe, noch einmal Laufen, Race Briefing, Bike check in, Strecke mit dem Auto abfahren, Pasta essen, Stimmung aufsaugen. Das Wetter war herrlich. Außer am Wettkampftag. Da regnete es tatsächlich ordentlich. Aber es gab kein Gewitter.

Das war beim Bike check-in

Und so stand ich also irgendwie gar nicht mal so aufgeregt mit meinem Neoprenanzug im Strandbad am Zeller See und reihte mich ziemlich weit hinten zum Schwimmstart ein. Alle 2 Sekunden wurden 4 Athleten ins Wasser geschickt. Es gab kein zurück mehr. Start. Der Kurs war denkbar einfach. 935 m geradeaus hin, 30 m um die Ecke und 935 m geradeaus zurück. Ich war mental auf Rempeleien, Luftnot, Panikattacken und Umwege eingestellt und nichts davon trat ein. Die Sicht unter Wasser war so klar, dass jeder jeden gut kommen sehen konnte und eine Kollision vermieden werden konnte. Ich blieb tiefenentspannt und erfreute mich an der herrlichen Bergkulisse um mich rum. Ich schwamm an jeder Boje dicht vorbei, quasi Ideallinie. Hach, es war einfach ein wunderschöner Start und als ich aus dem Wasser kam war ich schon so froh, als stünde die Ziellinie kurz bevor. Hochmotiviert rannte ich nach 45 min (über die ICH mich sehr gefreut habe – die für echte Triathleten aber ungefähr Bojen-Tempo bedeuten) zum ersten Wechselbeutel und trug zum ersten Mal meine Jacke auf (im Training bin ich bei Schlechtwetter natürlich nicht gefahren).

Auf der Radstrecke

Die 90 km lange Radrunde führte einmal großzügig um den Zeller See, wobei als höchster Punkt mit 1290 m der Filzensattel zu überwinden war. Die ersten 20 km auf dem Rad waren ein großer Spaß. Es ging überwiegend leicht bergab, ich konnte ganz in Ruhe einen Riegel essen. Dabei bekam ich am Tag davor noch den Tipp, diesen und auch den gesammelten Verpackungsmüll in den Hosenbeinen zu verstauen. Es war nämlich streng verboten, seinen Müll außerhalb der Verpflegungszonen zu entsorgen. Ich genoss es, immer wieder Radfahrer zu überholen und wieder zurück überholt zu werden. Ich wusste als Neuling ja auch nicht, wie das so ist mit den 12,5 m Mindestabstand zwischen den Rädern (Windschattenfahren-Verbot) zu fahren. Anders als beim Berlin Marathon mit 40.000 Startern zog sich das Starterfeld mit rund 2000 Teilnehmern schon beim Schwimmen recht weit auseinander. Kaum darüber nachgedacht ging es auch schon um die Ecke und der 15 km Anstieg begann. Aus dem Auto raus sah der gar nicht sooo bedrohlich aus. Aber es war schon echt schwer. Aber zunächst zu schaffen. Klar, es war anstrengend und ich war langsam, ich musste geduldig sein. Aber ich kam vorwärts. Die letzten 2 Kilometer waren als die schwersten ausgewiesen und so sollte es auch sein. Da half Geduld nicht weiter. Da war jeder Tritt so schwer, dass ich hoffte, es möge doch der letzte gewesen sein. Um mich rum stiegen tatsächlich andere ab und schoben ihre Räder. Aber ich sah, dass ich im Sattel immernoch schneller war und ich hatte noch die Option, im Stehen zu fahren. Solange ich die haben würde, ist noch Luft, dachte ich mir. Und dann kündige ein Schild den Gipfel in 500m an. Klar, dass ich das schaffen würde. Aber.

Abfahrt – so eine schöne Kulisse

Dann kam die Abfahrt. Ich bin noch nie einen wirklichen Berg runtergefahren. Die Fahrbahn war nass, es ging ordentlich kurvig bergab. Ich hatte Angst. Ich umklammerte die Bremsen und drückte so doll zu, wie ich konnte. Ich hatte das Gefühl, wenn ich nur kurz lockerlassen würde, würde ich die Kontrolle über das Rad verlieren. Ich hätte nicht anhalten können, mehr bremsen ging nicht. An mir schossen die mutigen Fahrer nur so vorbei. Und ich hoffte, dass es gleich geschafft ist. Keine Sekunde länger hätten meine verkrampften Finger es ausgehalten, als endlich die letzte Kurve geschafft war. Es ging immernoch gut bergab, aber sehr gut einsehbar. Da hatte auch ich meinen Spaß. Nur noch 50 km! Alle vorher ausgemalten Hürden waren überwunden und von nun an wusste ich, dass ich es schaffen würde. Der Rest der Radstrecke kam mir sehr entgegen. Nur noch kleine Hügel, die ich im Training auch üben konnte, waren zu überwinden. An diesen Stellen kam ich ausgesprochen gut voran, überholte und freute mich. Aber gefreut habe ich mich ja eh und sowieso. So oft steht mir mein Kopf im Weg, aber an dem Tag hat wirklich alles gepasst da oben. Und schon hieß es nach 90 km und 3:34 Stunden Abschied nehmen vom Fahrrad und ab auf die Laufstrecke.

Laufen. Mein Steckenpferd. Damals. An diesem Tag ging es nur noch darum, anzukommen. Ich habe mir vorher nichts vorgenommen. Ich habe grob mit 2:30 Stunden für die 21 km gerechnet aber gewusst, dass ich dann schon rückwärts und auf einem Bein hüpfend laufen könnte. Die Strecke führte über zwei Runden an der Promenade des Zeller Sees entlang. Wie immer nach dem Radfahren tigerte ich recht schnell los, pegelte mich aber nach etwa 2-3 km langsam realistisch bei einem 6 min/km Tempo ein. Ich habe einfach einen Fuß vor den anderen gesetzt und schonmal an die Ziellinie gedacht. Dass ich dafür jetzt so lange hingearbeitet habe. Ich stellte mir vor, wie ich die Finishline entlanglaufe. Meine Achillessehnen und auch ab und zu mein Knie meldeten sich. Hat mich alles nicht gestört, ich würde bald Iron-wo-man sein. Ich traf auf einen Läufer aus Schweden, mit dem ich schon auf dem Weg zum Start gequatscht habe und plauderte ein paar Kilometer mit ihm, eh ich ihn ziehen ließ. Irgendwann fragte er, ob ich „sowas“ jetzt nochmal machen wollen würde“. Meine Reaktion kam prompt: „Auf Jeden!“ Bis dahin hatten mir Schwimmen und Radfahren so Spaß gemacht, dass ich wusste, das war nicht mein letzter Triathlon. Es gibt ja auch noch viel Luft nach oben. So ging ich an jeder Verpflegungsstation spazieren. Ja, es war schwer, aber ich war gelassen und froh. Und die Kilometer wurden immer weniger, das Ziel kam immer näher.

DIE Finishline – Geschafft!

Und dann war es soweit, ich durfte statt nach rechts in eine neue Runde nach links in die Finishline abbiegen und…es war definitiv der emotionalste Zieleinlauf meines bisherigen Lebens! Ich weinte und jubelte, klatsche die Hände der Zuschauer auf beiden Seiten gleichzeitig ab. Ich ließ alles raus. ICH. HABE. ES. GESCHAFFT. Meinen ersten Triathlon überhaupt. Nach 6:44 Stunden war ich im Ziel. Es hat einfach alles gepasst. Mein Kopf war voll da, ich dachte nie, ich will oder kann nicht mehr.

Eine glückliche Sandy am Tag danach

Manchmal sind die größten Erfolge nicht die schnellsten Zeiten und die beste Form. Manchmal entstehen die größten Erfolge aus der Überwindung der größten Hindernisse. 3 Jahre hat es von der Anmeldung bis zum Start gedauert. 3 Jahre voller Höhen und Tiefen. 3 Jahre mit 2 kleinen Kindern und viel Leben, das immer wieder dazwischen kommt. Und dazu unzählige Ängste, sowohl im Training als auch im Wettkampf. Vorm Ertrinken (Krampf, Boot, Hai, Gewitter), vor gefährlichen Kollisionen, fiesen Radpannen, diversen Schmerzen und eigenen Unfähigkeiten. Und wenn das alles überwunden wird und sich in Wohlgefallen auflöst, DANN ist das einfach so unfassbar viel mehr wert als all meine bisher gelaufenen Bestzeiten.

Und jetzt? Gaaaanz kurz habe ich überlegt, auch eine Langdistanz in Angriff zu nehmen. Aber ich bin ja nicht verrückt. Wie viel soll ich denn dafür trainieren? Und wann? Nee. ABER. So ein Ironman 70.3 in flach und um die Ecke, das wäre doch was. Zufällig findet im September 2023 der Ironman 70.3 in Erkner statt und ich werde eine der Ersten sein, die sich dafür registrieren werden. Und zwei Halbe sind ja dann auch irgendwie ein Ganzer.

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